Laut einer Studie aus dem American Health Magazine von 2008 ...

Wissenschaft und Hypnose: Warum wir mit Studien achtsam umgehen sollten

Wissenschaftliche Untersuchungen sind eine wunderbare Sache. Das Beste daran: Sie haben Quellen, die man nachlesen kann. Und genau darin liegt ihre Stärke. Überprüfbare Daten und nachvollziehbare Ergebnisse.
Wenn man denn nur will. 

Wer sich für Hypnose interessiert, stößt früher oder später auf die viel zitierte Studie aus dem American Health Magazine. Diese soll belegen:

  • Dass Psychoanalyse nach 600 Stunden bei 38 % der Patienten eine Verbesserung erzielt.
  • Dass Verhaltenstherapie nach 22 Stunden bei 72 % der Patienten zu Verbesserungen führt.
  • Und dass die Hypnosetherapie nach nur 6 Stunden bei 93 % der Patienten eine unglaubliche Verbesserung bewirkt.

Tadaa 

Das klingt beeindruckend. Doch hier beginnt das Problem: Das American Health Magazine wurde bereits 1999 eingestellt. Eine Ausgabe aus dem Jahr 2008, in der diese „Vergleichsstudie“ angeblich erschienen sein soll, kann es also gar nicht geben. Diese Information lässt sich schnell im Amerikanischen Wikipedia finden.

In Hypnose-Foren mit Tausenden Mitgliedern wird immer mal wieder von achtsamen Kollegen davor gewarnt, diese Zahlen zu zitieren. Manche Kollegen tun es trotzdem. Besonders irritierend ist es für mich, wenn Kollegen behaupten, dass das egal sei, weil die Zahlen in der Realität noch viel besser seien. 

Ich selbst kenne nichts Besseres als Hypnose. In meinen Vorgesprächen sage ich oft ganz offen: „Ab hier verlasse ich den objektiven Raum. Hypnose ist für mich das schnellste, sanfteste und tiefgreifendste Verfahren, das ich kenne.“ 
Diese 100 Prozent subjektive Begeisterung erlaube ich mir. Aber wenn wir schon wissenschaftliche Studien zitieren, dann müssen wir doch bei der Wahrheit bleiben. Oder?

Dass Ausbildungsinstitute diese angebliche Studie ungeprüft weitergeben, finde ich besonders problematisch. Heilpraktikerschulen, Hypnose-Ausbildungsbetriebe, ja sogar Ausbilder in Foren posten diese Zahlen immer wieder. Selbst nachdem sie mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass die Quelle nicht stimmen kann. 

Ich bin auch darauf hereingefallen. Diese Studie führte ich eine Zeit lang voller Stolz und Selbstbewusstsein auf meiner eigenen Webseite. Zu fantastisch die Zahlen und zu groß das Vertrauen an das Institut, von dem ich das, wie ich zugebe, ungeprüft übernommen habe. 

Und die Zahlen fügen sich auch wirklich gut in meine Beobachtung der Hypnose ein und der Erfahrung, die ich in den Hypnosesitzungen mit Klienten in meiner Praxis mache. Aber das ist rein anekdotische Evidenz. Das ist meine subjektive Beobachtung und keine wissenschaftliche Studie. 

Als ich dann selbst zu dieser Studie recherchiert habe und sie nicht fand. beim besten Willen nicht, habe ich anders gesucht und festgestellt, dass sie in dieser Form nicht existieren kann, weil ja schon der Zeitpunkt der Veröffentlichung vollkommen unplausibel ist, nicht existiert, habe ich sie von meiner Website entfernt. 

Woher stammen die Zahlen dann? Wahrscheinlich aus einer Arbeit von Alfred A. Barrios, die 1970 in Psychotherapy: Theory, Research and Practice erschienen ist. Dazu weiter unten mehr. 

Dass Hypnose wirkt, steht außer Frage. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hat Hypnose in verschiedenen Anwendungsbereichen bei Erwachsenen anerkannt. Das ist ein gutes und wichtiges Signal, weil die Hypnose stark genug ist. Auch ohne geschönte Zahlen und herbeifantasierte Studien.

Denn Hypnose ist auch ohne Zahlen, die schöner klingen, als sie sind eine fantastische und wirkmächtige und tiefreifende Form Menschen wieder in ihre Kraft zu bringen. Huch, Entschuldigung, ich verschwärme mich schon erneut. 

Hier genaueres zur Anerkennung der Hypnose durch den wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie

Wissenschaftliche Anerkennung durch den Beirat Psychotherapie:

Immer wieder wird über Studien und Wirksamkeitsnachweise zur Hypnose diskutiert. Dabei lohnt sich der Blick auf den offiziellen Stand: Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hat die Hypnotherapie im Jahr 2006 als wissenschaftlich begründete psychotherapeutische Methode anerkannt.
Konkret gilt die Anerkennung für Erwachsene bei folgenden Anwendungsfeldern:

Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten
Abhängigkeit und Missbrauch (z. B. Raucherentwöhnung, Methadonentzug)

Für Kinder und Jugendliche gibt es bislang keinen anerkannten Anwendungsbereich. 

Die Hypnosetherapie ist ein faszinierendes und auch ein wissenschaftlich geprüftes Verfahren. 

Zumindest in genau umrissenen Feldern. Und bei der nächsten Studie, wer weiß, was noch alles anerkannt werden wird. Wissenschaftlich begründet. Daran zweifle ich nicht im Mindesten. 

Ein weiterer Überblick der MEG-Akademie Tübingen formuliert zusammenfassend: Die Hypnotherapie ist für eine breite Palette medizinischer, psychosomatischer und psychotherapeutischer Anwendungen, meist während verhältnismäßig kurzer Behandlungsdauer, effektiv und nachhaltig.

Zurück zu der nicht existierenden Studie aus dem American Health Magazine

Die oft zitierte Vergleichsstudie – was steckt dahinter

Zahlen, die Hypnose besonders wirksam aussehen lassen, kursieren seit Jahren: 
600 Stunden Psychoanalyse mit 38 % Besserung, 22 Stunden Verhaltenstherapie mit 72 % Besserung und 6 Stunden Hypnose mit 93 % Besserung. Häufig wird als Quelle das „American Health Magazine“ genannt – angeblich 2008 veröffentlicht.

Da die letzte Ausgabe des American Health Magazins 1999 erschien, wäre es schon sehr erstaunlich, wenn dort 2008 eine solche bahnbrechende Studie erschienen wäre. 
2008 existierte dieses Magazin längst nicht mehr. Die Zahlen stammen wohl aus einer älteren Arbeit von Alfred A. Barrios. 

Nämlich aus dem Jahr 1970. Sein Artikel Hypnotherapy: A Reappraisal erschien in Psychotherapy: Theory, Research and Practice.

Barrios’ „Reappraisal“ – Hypnose im therapeutischen Fokus

Barrios kritisiert in seiner Veröffentlichung, dass Hypnose trotz klinischer Erfolge in der Psychotherapie viel zu selten genutzt wird. Er verweist auf über 1 000 wissenschaftliche Artikel, die zwischen 1966 und 1968 erschienen sind – ein Hinweis auf das große Interesse an der Methode.

Er beschreibt, dass Hypnose nicht in erster Linie zur direkten Symptomunterdrückung eingesetzt werden sollte. Vielmehr liege ihre Stärke darin, negative Einstellungen, Ängste, destruktive Verhaltensmuster und belastende Selbstbilder zu verändern. Die Ursachen, die hinter den Symptomen stehen.

Sein Fazit: Hypnose wirkt, weil sie es ermöglicht, dass störende innere Überzeugungen und Einstellungen den therapeutischen Prozess nicht blockieren. Suggestionen und neue Erfahrungen können dadurch nachhaltiger verankert werden.

Für die damalige Zeit war dies ein Pioniertext, weil Barrios die Hypnotherapie nicht mehr als exotische Randmethode, sondern als ernsthafte psychotherapeutische Technik darstellte. Er fasste klinische Studien zusammen, in denen Hypnose bei einem breiten Spektrum von Störungsbildern, von Angststörungen über psychosomatische Erkrankungen bis hin zu Alkoholismus eingesetzt wurde. 
Barrios verglich sehr großzügig die Ergebnisse zudem mit Psychoanalyse und Verhaltenstherapie und kam zu dem Schluss, dass Hypnotherapie mit im Schnitt sechs Sitzungen und Erfolgsraten von über 90 % deutlich effektiver sei als andere Verfahren.

Aus heutiger Sicht sind diese Zahlen mit Vorsicht zu lesen. Die Studien, auf die sich Barrios bezieht, arbeiteten ohne Kontrollgruppen, mit kleinen Stichproben und uneinheitlichen Kriterien für den Behandlungserfolg. Nach modernen wissenschaftlichen Standards wären solche Quoten nicht haltbar. 
Dennoch war Barrios ein wichtiger Wegbereiter: Er stellte Hypnose in einen theoretischen Zusammenhang (Suggestibilität und Konditionierung) und half damit, sie von der Schattengrenze des Mystischen in den Diskurs der Psychotherapieforschung zu holen.
Dass später – fälschlicherweise – aus seinem Artikel eine groß angelegte „vergleichende Studie“ zitiert wurde, die in dieser Form nie existiert hat, erklärt sich vermutlich daraus, dass seine plakativ wirkenden Zahlen immer wieder aus dem Kontext heraus zitiert wurden. Das schmälert aber nicht seine eigentliche Leistung: Barrios hat die Diskussion über Hypnotherapie in der wissenschaftlichen Psychologie neu eröffnet und mitgeholfen, ihr einem Platz in der ernst zu nehmenden Therapielandschaft zu sichern.


Es würde der modernen Hypnose sicher mehr helfen, wenn wir uns alle an ethischen Standards orientieren würden und wissenschaftliche Studien nutzen, befürworten - auch da, wo sie nicht das gewünschte Ergebnis liefern und dort zitieren, wo wir die Quellen geprüft haben. 

Apropos Quelle: Die Google- KI ist keine seriöse Quelle. Stand vom 07. Sept. 2025 hat diese KI die Studie so zitiert, wie sie bedauerlicherweise bei viel zu vielen Kollegen auf den Webseiten steht. 

Let's make hypnosis honest again 
                                                       – Überlege mir, das auf ein Baseballmützchen zu drucken …

 


Susanna Pursche Hypnose in Hamburg