Über Nähe, Resonanz und Menschlichkeit im Coaching
Wenn KI halluziniert
Einer Studie von NewsGuard zufolge sind die Antworten von Chatbots von Chatbots zu etwa einem Drittel falsch. Das sind doppelt so viele wie im letzten Jahr. Elon Musk bastelt an einer Grokpedia, bei der vermutlich der Master-Prompt ist: „Antworte im Elon-Musk-Sinne und so unwoke, wie es nur geht.“
Wir wissen, dass KIs lügen und halluzinieren. ChatGPT hat mich auch schon hart und beharrlich angelogen, und selbst auf mein mehrfaches Nachfragen kamen immer wieder selbstbestätigende Antworten. Nach einem längeren Hin und Her gab es dann zu, dass es sich die Antwort ausgedacht hat.
Aber darum geht es hier gar nicht.
Worum es mir hier geht
Es soll hier nicht darum gehen, dass man eine KI nicht benutzen soll oder dass man sich nicht auch zu Coaching-Themen über ein Large Language Model Hilfe suchen kann.
Man muss nur wissen, dass diese Modelle nicht in menschlichen Verbindungen und Beziehungen"denken". Diese Metapher ist diesen LLMs fremd.
Sie liefern berechnete, strukturierte und programmierte Antworten.
Das ist hilfreich, bis es auf das ankommt, was zwischen Menschen geschieht.
Das Zwischenmenschliche. In einer echten Beziehung einer therapeutischen Allianz, im Coaching, in der Therapie oder im Training. Da zählt etwas anderes: die Verbindung.
Wenn Persönlichkeit gefragt ist
Ich wundere mich so sehr über eine Art inflationäre Nutzung von Kollegen, die KIs benutzen, da, wo es doch auf Persönlichkeit ankommt.
Gerade bei der Persönlichkeitsentwicklung darf es doch und sollte es da nicht persönlich zugehen?
Und ich nehme mich da gar nicht raus. Ich habe mich immer noch nicht getraut, ein Reel mit mir bei Instagram zu veröffentlichen. Immerhin bin ich schon bei Fotos. Liebend gern würde ich ein schönes KI-Video von mir erstellen. In den typischen therapeutischen sepiaartigen Sora-Farben. In diesem antiken Braun. Und dann bemerke ich es: Es ist austauschbare und langweilige Massenware, die nervt. Und ich bin sicher, dass wir entweder eine Gesellschaft erzeugen, die diese KI-Slops von mieser Qualität aushält, weil es egal wird oder die erkennt, dass Menschen menschliche Verbindungen brauchen, weil Menschen noch sehr soziale Wesen sind. Noch! Noch?
KI erstellt innerhalb kürzester Zeit Trainingsinhalte, strukturiert und bündelt, fertigt Konzepte und trotzdem hat es keinen Charakter. Ich bin häufig etwas "late to the Party" und als ich die Vorzüge von ChatGPT gesehen habe, hat mein Trainerherz vor Freude Luftsprünge gemacht.
Wie einfach ist es jetzt? Hier, schau! Ich gebe dies und das ein und schon sind zwei Tage Training zur Persönlichkeitsentwicklung erstellt. Mit allem PiPaPo.
Bloß nicht mit dem, auf das es ankommt. Verbindung und Charakter.
Der Brave Labrador-Retriever Algorithmus
Wenn es um ein Miteinander ankommt geht, wie sehr kann uns da ein Algorithmus helfen, der die Arbeitsweise eines Golden Retrievers hat: Wenn man nach etwas fragt, sofort eine Riesenangebotspalette bereitzustellen und zu fragen „Möchtest du noch dies? Soll ich dir das noch erstellen? Möchtest du noch mehr zu dem wissen? Sehr schön, ich kann dir noch dies erstellen, soll ich das machen?"
Darauf sind sie programmiert.
Aber wenn Menschen miteinander ins Gespräch kommen, dann entsteht doch die wahre Magie.
Die wahre Magie im Gespräch
Gerade in der Therapie oder in einer Coaching-Praxis, wenn es darum geht, den bewussten Verstand mit öffnenden Fragen so zu berühren, dass eine Brücke zwischen Verstand und Gefühlen entsteht. Ein Raum geöffnet wird. Ein Raum für Verbindung und Klarheit, in dem einem etwas klar wird.
Ein Raum, in dem nicht eine algorithmusgetriebene Ratschlagsnothdurft ausgeschissen wird. Entschuldigt bitte die Wortwahl.
Eine der Grundmetaphern des Menschen ist die Metapher des Raumes und die kann eine KI nicht erzeugen.
Die Metapher des Raumes
Sprache erzeugt Nähe – und das, was uns die KI vorgaukelt, ist oberflächlich. Wie die Vorstellung einer flachen Erde, bei der auch die Tiefen fehlen, all die Höhlen und die sich im Verborgenen schlängelnden Wege. Dort, wo wir in den Tiefen unseres Unbewussten die Bodenschätze ergründeln können.
Vielleicht haben sich schon viele Menschen an Oberflächlichkeit gewöhnt.
Aber gerade im Coaching oder in der Therapie (und mit Coaching meine ich das wirkliche Coaching, nicht die Schneeballsysteme windiger Dating-Coaches oder Supplement-Vertriebsmoms) geht es in der Interaktion von Menschen um Resonanz im Raum.
"Daten kennen kein Leid, ChatGPT hat kein inneres Selbst. Es ist nirgendwo gewesen, es hat nichts ertragen, es hat nie die Kühnheit besessen, über eigene Grenzen zu hinauszugehen. Es kann keine geteilte transzendente Erfahrung machen, da es keine Grenzen hat, um darüber hinauszugehen."
(Nick Cave)
)
Auf die ganz einzigartige Art und Weise, wie mir meine Klienten in der Hypnosepraxis oder auch im Onlinecoaching etwas über ihre Geschichten erzählen, so erzählen sie mir auch immer etwas über die Beziehung, die sie zu sich selbst haben und über die Beziehungen, die sie im Außen führen. Über die Beziehung der ganz eigenen Innenwelt und über deren Beziehung zur Außenwelt, in der sie sich bewegen.
Nähe und Resonanz
Die Grundmetapher des Raumes erzeugt Nähe. Wenn wir über eine enge Freundin reden, eine treue Begleiterin über Jahre hinweg, über eine nahestehende Person.
Oder auch, wenn wir sagen: „Wir stehen in keinem Verhältnis zueinander.“
Das erzeugt ganz andere Perspektive.
Und wenn das in einem Gespräch voller wertschätzender Neugier und kluger Fragen geschieht, in Resonanz, welche Räume öffnen sich dann?
Was haben wir bisher nicht gesehen, wo alles durch die KIs vorhersehbar schien?
Worauf achten wir nicht mehr? Obwohl es da ist.
Was geschieht im Land der Abenteuer, wenn man im Gesprächsfluss ist, wenn man von der Oberflächenstruktur einer KI in einer gemeinsamen Beziehungsarbeit auf die Tiefenstruktur hinabtaucht. Dorthin, wo gefühlvolle Tiefe ist. Mitgefühl und mit Gefühl. In einer menschlichen Beziehungsgestaltung.
Auch das kann eine KI nicht. Eine KI berechnet.
Der Raum, in dem Gedanken sichtbar werden
Da, wo Menschen einen Raum schaffen – ein Raum, in dem Gedanken auftauchen, sichtbar werden, da, wo ein Überblick möglich ist, wo man auf einer Wellenlänge surft und ein unaufhaltsamer Strom fließt.
Dann sprudelt es nur so heraus.
Und durch eine ganz besondere Form von Fragen und Zugewandtheit hilft diese Art, Menschen dabei, ihre eigene Bedeutung in Worte zu fassen, sich auszudrücken, ohne von einem Fragesteller und schon erst recht nicht von einem Algorithmus auf ihre Einzigartigkeit verzichten zu müssen.
Haltung, Echtheit und Vertrauen
KI ist gefüttert mit Wissen.
Eine KI berührt keine Menschen. Das gelingt nur mit Haltung, Echtheit und dem Aufbau von Vertrauen.
Und auch das ist eine Fähigkeit, die gelernt werden darf und gelernt werden muss von Menschen, die mit Menschen arbeiten. Denn darin liegt die Kunst etwas frei aus den anderen heraus entstehen und wachsen zu lassen, Entwicklung Raum zu geben, sodass Transformation geschehen kann.
Und dann haben wir etwas geschaffen: Haltung und Verbindung zwischen Menschen. Zwischenmenschlichkeit.
Zwischen Oberfläche und Tiefe
Wer sich immer nur auf eine KI verlässt, läuft Gefahr, auf der Oberfläche zu bleiben.
Wie eine schillernde Ölspur, die am Ende doch den Lebewesen im Wasser die Luft zum Atmen nimmt.
Susanna Pursche Hypnose in Hamburg
