Blog Post

Hypnotische Mythen, Heldenreise und das Waschen zwischen den Jahren


Hängst Du Wäsche zwischen den Jahren auf? 
Ist Dir dabei auch etwas mulmig? Oder hast Du mal davon gehört, dass man „zwischen den Jahren“ nicht waschen soll?

Die Mythen, Metaphern und Geschichten wirken bis heute auf uns, obwohl der Ursprung dieses Glaubens ein sehr alter ist


Ich kann mich gut an die Geschichten in meinen alten Kinderbüchern erinnern. Michel aus Lönneberga, die Kinder aus Büllerbü und wie es war, über das Lesen dabei zu sein, wenn in kalten Winternächten im hohen Norden, in Büllerbü und Lönnerberga die dunkle Zeit zwischen den Jahren war. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie es in den Küchen und Speisekammern roch. 
Man hat wochenlang alles vorbereitet, geputzt und gekocht, geräuchert und eingeweckt um dann schnitzend, strickend und Geschichten erzählend zusammenzusitzen.

In der Zeit zwischen den Jahren schien es nicht viel zu tun zu geben. Es war dunkel, die Erde gefroren und alles tief verschneit. Die Tiere stehen in den Ställen. Die Arbeit ist getan.

Es ist die dunkelste Zeit des Jahres. Die Zeit mit den längsten Nächten. Den stärksten Stürmen.

Früher.

In einer Zeit, als es noch keinen Strom gab, als es bitterkalt wurde, sobald die Feuer erloschen. Dunkel, während der winterliche Sturm brausend, knackend und heulend über das Land tobt und durch die Bäume fährt. Bäume, die bei starkem Frost laut wie Peitschenschläge knallen, weil in den durchgefrorenen Stämmen so starke Spannungen sind, dass die Baumstämme reißen. Krachend. Die Zeit der winterlichen Schneestürme.


Noch viel früher.

Die Zeit gilt als unsicher und unruhig, es ist eine Zeit, in der man Geborgtes zurückgegeben haben sollte. Alles sollte erledigt und aufgeräumt sein. Das Gesinde sollte nicht arbeiten. Nach Einbruch der Dunkelheit sollen Frauen und Kinder im Haus bleiben. Es gibt allerlei Sachen zu beachten, wenn einem das Leben lieb ist. 

Man soll Hexen in der Kirche sehen können, wenn man während der Adventszeit einen Kochlöffel schnitzte und durch das Loch guckte, unverheiratete Frauen sehen an Wegkreuzungen ihren zukünftigen Ehemann und die Tiere können sprechen. Allerdings ist man dem Tode geweiht, sollte man sie im Stall belauschen. 

Und auf keinen Fall darf die Wäsche „zwischen den Jahren“ auf die Leine.
So habe ich es von meiner Mutter und meine Mutter hat es von Ihrer Mutter. Ich habe Freundinnen, die auch nicht zwischen den Jahren Waschen. Das haben sie von ihren Müttern. So ist es Brauch …


Und wieso? 

Weil es die Zeit der Raunächte ist. 
In der Regel ist es die Zeit um die 12 Weihnachtstage. Beginnend vom 25. Dezember bis zum 06. Januar. 

Eine der frühesten schriftlichen Erwähnungen findet sich 1534 im Weltbuch von Sebastian Franck: „'Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache für alle teüfel gespenst vnd zauberey.‘ 


Erzählungen über böse Geister und Götter, die in dunklen und stürmischen Nächten um die Häuser streifen, gab es wohl schon in vorchristlichen Zeiten. Menschen interessieren sich vermutlich seit der Jungsteinzeit für das, was größer seien, mag das, was über sie hinaus geht. Entdeckung von Spiritualität. Entwicklung von Religionen. 

Die elf Tage und 12 Nächte in dieser Zeit werden Tage „außerhalb der Zeit“ tote Tage genannt. Die Zeitrechnung nach einem Mondjahr umfasst 12 Monate mit 354 Tagen. Das alte Jahr endete am 24. Dezember und das neue Jahr begann am 06. Januar. 
Bis der Gregorianische Kalender die Zeitrechnung vereinheitlicht hat, wurden die fehlenden Tage einfach hinten an das Jahr gehängt, um mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bleiben. 


Es wurde angenommen, dass in dieser Zeit zur Zeit der toten Tage die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind und die Trennung und Grenzen zu anderen Welten ganz besonders durchlässig sind. Lediglich ein hauchdünner Vorhang zwischen Diesseits und Jenseits


So heißt es, dass die wilde Jagd in den Raunächten bis zum 06. Januar lärmend um die Häuser zieht. 

In der Zeit der Winterstürme, in der dunkelsten Zeit des Jahres.

Von Skandinavien bis in die Alpen, England und Frankreich treibt das wilde Heer sein Unwesen. Mit viel Radau und Lärm zieht es durch die Gegend. Der Zug soll aus den Seelen von Menschen bestehen, die einen Vorzeitigen und unnatürlichen Tod starben. 

Damit sich kein Wesen, kein Dämon in den Wäscheleinen verheddern kann, sollte man bis zum 06. Januar keine Wäsche aufhängen. 

Insbesondere weiße Wäsche sollte nicht auf die Leinen, weil die weißen Laken ein Leichentuch symbolisieren und den Tod eines geliebten Menschen im kommenden Jahr zur Folge hätte. 

Und ganz besonders dürfen keine Jungfrauen weiße Wäsche in dieser Zeit aufhängen, weil das die wilde Horde anlocken würde, die dann über die Jungfrau herfallen würde. 


Wieso können alte Mythen so nachwirken.

Adolf Bastian, der Gründungsdirektor des Berliner Museums für Völkerkunde, hat die Idee des Elementargedanken, der Urmythen als ein Phänomen für den Einklang, die Gleichartigkeit der menschlichen Psyche begründet. Die Urmythen, die an so weit entfernten Orten der Welt auftreten und sich so nicht durch Verbreitung erklären lassen. 
Von Bastian beeinflusst entwickelte CG Jung sein Konzept des kollektiven Unbewussten und der Archetypen. 

Durch das wissenschaftliche Verständnis ist unsere Welt entmenschlicht worden. Der Mensch steht isoliert im Kosmos da. Er ist nicht mehr in die Natur verwoben und hat seine emotionale Anteilnahme an Naturereignissen eingebüßt, die bis dahin eine wichtige symbolische Bedeutung für ihn hatten. „C.G Jung

Joseph Campbell entdeckte später, dass die Mythologie eines jeden Landes sich um dieselbe Geschichte dreht, die auf unendlich viele Arten erzählt wird und immer demselben Muster folgt.

Der Mythos der Heldenreise ganz kurz zusammengefasst:
Es gibt zwei Welten, zwei Realitäten: die alltägliche, die weltliche Realität. 
In der man arbeitet, einkauft und sich mit Freunden zum Essen verabredet, sich über die Steuererklärung ärgert.

Und es gibt eine ganz besondere Realität. Und irgendwann muss der Held oder die Heldin der Geschichte in diese besondere Realität gehen, um ein Problem zu lösen, das nur der Held oder die Heldin lösen kann.
Um für Sicherheit für die Gruppe oder mehr zu sorgen. Um an sich zu wachsen.
Selbstverständlich wird sich zunächst geweigert, sich in die Gefahr, in das Unbekannte zu begeben. 
Bis es zu einem Treffen mit dem Mentor kommt.
Der Mentor stärkt und redet Mut zu. Ressourcen werden wieder oder neu entdeckt und gefunden. Freunde und Verbündete gesellen sich dazu, alle Herausforderungen können gemeistert werden. 

Um jedoch wahrhaft gestärkt in die normale Welt zurückzufinden, muss ein ultimativer Preis gezahlt werden: Der ultimative Kampf gekämpft werden. Der Kampf mit einem Ungeheuer oder Monster oder Drachen oder eben der wilden Horde. 
Der Held oder die Heldin besiegt das Ungeheuer und kehrt dann gestärkt und zum höchsten Wohle aller zurück in die gewohnte Welt. 

Ein gutes Beispiel sind die frühen Star-Wars Filme und Tolkiens Herr der Ringe. 

Ist das nicht extrem hypnotisch? Eine zutiefst menschliche Veränderungsarbeit über Mythen und Symbole?

Mit der Symbolsprache sind Menschen in der Lage, problematisches Erleben im Alltag zu transformieren.
So werden Sie zum Helden, und können Ihre eigene Heldenreise imaginieren und sicher und in Balance durch die Reise navigieren.

Und das macht diese geradezu hypnotische Symbolik zu einer hochwirksamen Herangehensweise.

In weltweiten Mythologien fand Campbell eine Balance zwischen Sonne und Mond als lebenswichtige Orientierung für die Menschen. 
Heute fehlen laut Campbell den Menschen überzeugende Mythen, um das eigene Leben mit Sinn zu gestalten und dem Leben eine Ausrichtung zu geben. 

Vielleicht ist deswegen seit einiger Zeit das Räuchern, nach dem die Raunächte vermutlich den Namen haben, wieder so aktuell. 
Viele der alten Rituale kennen wir wie selbstverständlich heute noch. Das Bleigießen zu Silvester sollen schon die alten Römer und Germanen als Orakel, um in den mystischen Nächten einen Blick in die Zukunft zu werfen, praktiziert haben.
Der Brauch, mit lautem Geböller die bösen Geister zu vertreiben. 

Weil Blei hochgiftig ist, ist das Gießen von Blei ist seit 2018 Verboten. Eine Alternative ist Wachsgießen. 
Vielleicht wird bald auch eine schöne und schonende Alternative zu Böllern gefunden. 
Wer weiß. 

Was bleibt, sind starke Geschichten aus alten Mythen, die heute noch unsere Handlungen bestimmen. Wir schenken alten Geschichten unser Vertrauen. Hinterfragen selten.

Die Kraft der alten Mythen und Geschichten kann stärkend in das Heute fließen. 
Vielleicht leise und anders und trotzdem stärkend, weil gemeinsame Mythen verbinden können. Wie das Erzählen von Geschichten.

Mythen, Geschichten und Symbole können helfen, unangenehme Themen wirksam zu bewältigen und Dinge zu tun, die zumindest heutzutage sehr ungewöhnlich sind. Wie beispielsweise die Wäsche nicht in den Raunächten zu waschen. Und der Wunsch, das Liegengebliebene noch zwischen den Jahren zu erledigen. 

Das Wissen um die Kraft von Geschichten nutzte auch einer der bekanntesten Hypnotiseure aller Zeiten: Milton Erickson. 
Milton Erickson verwendete Geschichten, weil Geschichten seit uralten Zeiten wirksame Methoden zur Veränderung sind. 
Und Metaphern. Weil selbst die einfachste Metapher auf mehreren Ebenen funktioniert und vielschichtige Ebenen von Gedanken und Bildern anregt.

Und das macht diese geradezu hypnotische Symbolik zu einer hochwirksamen Herangehensweise.

Und ich gehe jetzt mal meine Wäsche aufhängen. Ich Heldin;-)



Zur Heldenreise habe ich hier schon etwas geschrieben

Folge mir gerne bei Facebook für Aktuelles

Hier für meinen Newsletter Eintragen



Dez. 28, 2022

Susanna Pursche • Dez. 28, 2022
Share by: